Laut UNICEF stellt Gewalt an Mädchen* und Frauen* die häufigste Menschenrechtsverletzung weltweit dar. Gewalt an Frauen* ist in anderen Ländern ein Problem, aber in Österreich kein Thema?
Falsch: In Österreich hat jede fünfte Frau* seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder sexualisierte Gewalt erfahren, jede dritte Frau* hat eine Form sexueller Belästigung erlebt, jede siebte Frau* ist von Stalking betroffen. 26 Frauenhäuser haben letztes Jahr 3.310 Frauen* und Kinder betreut, es wurden 8.748 Betretungsverbote ausgesprochen und die Frauenhelpline erhielt 8.730 Anrufe. 39 Frauen* wurden 2019 ermordet.
Gewalt ist vielschichtig – sie kann in physischer, sexualisierter, psychischer, ökonomischer oder sozialer Form ausgeübt werden. Neben personaler Gewalt, die direkt von einem Täter ausgeübt wird, ist auch strukturelle Gewalt für Lebensbedingungen relevant. Diese geht nicht von einem handelnden Subjekt aus, sondern ist im Gesellschaftssystem verankert. Sie äußert sich in ungleichen Machtverhältnissen und folglich ungleichen Lebenschancen von Frauen* und Männern*.
Gewalt ist überall – im öffentlichen Raum, im Netz oder – in den meisten Fällen – zu Hause. Frauen* und Mädchen* erfahren Gewalt häufig durch den Partner* oder Ex-Partner. Das trägt dazu bei, dass diese Gewalt oft unsichtbar und unbemerkt bleibt. Zudem ist die Dunkelziffer bei Gewaltvorfällen sehr hoch einzuschätzen: Etwa bringen nur 6,4 Prozent der von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen* die Tat zur Anzeige. Nachvollziehbar, denn aufgrund der starken Tabuisierung des Themas fällt es Betroffenen schwer, über das Geschehene zu sprechen. Zudem lag die Verurteilungsquote bei Vergewaltigung 2018 bei nur 13,1 Prozent.
Spricht man von Gewalt, ist es wichtig, Mehrfachdiskriminierung mitzudenken. Phänomene wie Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Ableismus sind in unserer Gesellschaft strukturell verankert. Dennoch sind Frauen* aller sozialer Schichten, unabhängig von Bildungsstand, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit, Einkommen, Alter und Familienstand von Gewalt betroffen.
Mit der Corona-Pandemie hat sich die Situation für Mädchen* und Frauen* noch verschärft: Aufgrund der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sind Betroffene stärker auf die eigenen vier Wände beschränkt und es wird schwieriger, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch Stress, Arbeitslosigkeit und existenzielle Probleme verschärfen die Situation.
Die Frauenhelpline gegen Gewalt unter 0800 222 555 ist die erste telefonische Anlaufstellelle für alle Fragen in Zusammenhang mit Gewalt an Frauen* in Österreich und ist rund um die Uhr anonym und kostenlos erreichbar. Mehr Infos auf: www.frauenhelpline.at
Auch in Vorarlberg gibt es verschiedene Unterstützungsangebote für betroffene und gefährdete Personen – eine Übersicht der Angebote findet sich hier
Weitere Infos und Links:
Autonome Österreichische Frauenhäuser
Bundeskanzleramt, Gewalt gegen Frauen
UNICEF-Report: A New Era for Girls
UN WOMEN Austria: Gewalt gegen Frauen und Mädchen während COVID-19
Angelika Atzinger, Verein Amazone