Jeder Mensch hat ein Recht auf „Inklusion“, also darauf, ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein, dazuzugehören, willkommen und anerkannt zu sein.
Wie alle anderen Menschenrechte fußt das Recht auf Inklusion auf der universellen Menschenwürde: Weil alle Menschen mit der gleichen und unveräußerlichen Würde ausgestattet sind, haben alle die gleichen Rechte und den Anspruch darauf, dass der Staat sie umsetzt. Das bedeutet, dass der Staat die Menschenrechte durch seine Rechtsordnung absichert und die tatsächlichen Voraussetzungen dafür schafft, dass alle ihre Rechte gleichermaßen wahrnehmen können. Dabei gewährleisten die Menschenrechte den Schutz vor jeglicher Form von Diskriminierung, zum Beispiel aufgrund einer Behinderung, der Hautfarbe, der Herkunft oder der sexuellen Orientierung.
2006 wurde die UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen, die von Österreich 2008 ratifiziert worden ist. Doch von der rechtlichen zur tatsächlichen Gleichstellung behinderter Menschen ist es noch ein weiter Weg – darin sind sich Betroffene wie Expert*innen einig. In der UN-BRK ist Inklusion als Leitidee verankert, die Staaten sind aufgefordert, ihre Teilsysteme (wie Bildung, Gesundheitssystem, Arbeitswelt) inklusiv zu entwickeln. Als Menschenrecht ist Inklusion unmittelbar verknüpft mit den Ansprüchen auf Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Damit ist Inklusion sowohl ein eigenständiges Recht, als auch ein wichtiges Prinzip, ohne dessen Anwendung die Durchsetzung der Menschenrechte unvollständig bleibt.
Behindertenpolitisch markiert die UN-BRK eine ganz entscheidende Zäsur: den Paradigmenwechsel vom medizinischen zum menschenrechtlichen Modell von Behinderung auf internationaler Ebene. Das traditionelle, medizinisch-individuelle Modell sieht Behinderung als individuelles Schicksal, als körperliche, psychische oder kognitive Schädigung einer Person, der mit Diagnose, Therapie und Förderung begegnet wird. Das menschenrechtliche Modell hingegen fokussiert auf die Barrieren, physische und einstellungsbedingte, auf gesellschaftliche Bedingungen, die Menschen mit Behinderung aussondern und diskriminieren. Es basiert auf der Erkenntnis, dass die weltweit schwierige/diskriminierende Lage von Menschen mit Behinderung weniger mit individuellen Beeinträchtigungen als vielmehr mit gesellschaftlich konstruierten Barrieren zu erklären ist.
Die UN-BRK unterscheidet zwischen Beeinträchtigung, die sich als Schädigung im Individuum manifestiert und umwelt- und einstellungsbedingten Barrieren, die die volle und wirksame gesellschaftliche Teilhabe verhindern/verringern.
Der Begriff „Behinderung“ erlebte in den letzten Jahrzehnten vielfache Umbenennungen. Es waren Menschen mit Behinderungen selbst, die diesen Begriff als abwertend ablehnten. Es folgten eine Reihe von Umbenennungen – Menschen mit Lernschwierigkeiten, Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Menschen mit elementaren Lernbedürfnissen, mit spezifischen Lern- und Erziehungsbedürfnissen usw. Inzwischen wird auch die Bezeichnung der „besonderen Bedürfnisse“ abgelehnt: Menschen mit Behinderungen haben genau dieselben Bedürfnisse wie alle anderen Menschen auch: das Bedürfnis nach körperlichem Wohlbefinden, nach Sicherheit und Geborgenheit, nach Akzeptanz, nach sozialer Anerkennung. Alle Bedürfnismodelle (von Maslow oder Obrecht oder Geiger) gelten für Menschen mit Behinderungen ohne Einschränkung.
Dieser Text basiert auf dem online Handbuch: Inklusion als Menschenrecht, mit sehr empfehlenswerten vertiefenden Begriffsklärungen, Wissenswertem und Materialien.
Der Verein „Integration Vorarlberg“ setzt sich seit mehr als 30 Jahren für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ein
UN-Behindertenrechtskonvention
Claudia Niedermair, Integration Vorarlberg