Gesundheit ist ein komplexes Thema. Das zeigen schon die vielen Fachbereiche, die wir aus der heutigen Medizin kennen. Jedoch ist der Mensch kein in sich geschlossenes System, sondern stark von seiner Umgebung abhängig. Das beginnt mit der Nahrung, die wir aufnehmen, der Luft, die wir atmen und geht bis zu den Beziehungen zu anderen Menschen, u.a. in Form von Werten und Praktiken der Gesellschaft, in die wir geboren werden. Unsere Gesundheit ist enger mit der Gesundheit der Pflanzen- und Tierwelt und damit mit der Gesundheit des gesamten Planeten verbunden, als wir geglaubt haben. Diese Erkenntnis spiegelt sich im „One Health“-Ansatz wider. „One Health“ geht also noch weiter als das Konzept der „Globalen Gesundheit“ und betrachtet die wechselseitige Beziehung von Mensch, Tier und Pflanzen in ihrer gemeinsamen Umwelt. Dabei wird das gesamte multidimensionale System erfasst, in welchem Krankheiten entstehen und sich verbreiten können.
Weltweit sind bereits zwei Drittel aller Infektionskrankheiten Zoonosen – vom Tier auf den Menschen übertragen (z.B. HIV, Tollwut, Ebola, COVID-19 etc.). Durch das enorme Bevölkerungswachstum, den Verlust an Biodiversität, die Zerstörung des natürlichen Lebensraums geraten Wildtierpopulationen immer weiter unter Druck. Landwirtschaft und Nutztierhaltung benötigen immer mehr Flächen, weshalb Tropenwälder abgeholzt werden und somit der Lebensraum vieler Wildtiere schrumpft. Durch nicht-nachhaltige Bewirtschaftung kommt es zu Bodendegradierung und Erosion, was in weiterer Folge zu einer Verschlechterung der natürlichen Lebensgrundlagen und Mangelernährung beiträgt und noch weiteres Vordringen in unberührte Natur verlangt. Insgesamt rücken Menschen und Wildtiere immer näher zusammen. Damit wird es wahrscheinlicher an Zoonosen zu erkranken.
Das Auftreten neuer Krankheitserreger, die Ausbreitung zuvor seltener Infektionskrankheiten und die Zunahme von Antibiotikaresistenzen zeigen, wie wichtig ein ganzheitliches Verständnis ist. Infektionskrankheiten sind eine beachtliche Bedrohung für die menschliche und tierische Gesundheit, was die aktuelle COVID-19 Pandemie bestätigt. Weltweite Mobilität und Handelsströme tun das ihre, solche Erkrankungen zu globalisieren.
„One Health“ bezieht auch die Umweltbelastungen unseres Planeten mit ein und somit Krankheiten, die auf Umweltzerstörungen zurückzuführen sind, wie Atemwegserkrankungen durch Feinstaubbelastung, Schäden durch verseuchtes Trinkwasser und übermäßiger Einsatz von Pestiziden und Antibiotika in der Landwirtschaft, Mangelernährung aufgrund von Dürren, Überschwemmungen, Verlust der Artenvielfalt etc. Die Liste könnte endlos weitergeführt werden. Bezogen auf die Klimakrise zeigt das Konzept der Planetaren Grenzen die Umweltbelastungen der Erde in den verschiedenen Bereichen und auch wo diese Grenzen bereits erreicht bzw. überschritten sind.
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich mit deren Ursachen beschäftigen und angemessene Schritte setzen, um Zoonosen und umweltbedingte Krankheiten in Zukunft zu vermeiden. „One Health“ bedeutet, den Blick auf das „große Ganze“ auch in schwierigen Situationen nicht zu verlieren und die Bereitschaft, sich mit den komplexen Zusammenhängen zu beschäftigen.
Auch in der Menschenrechtskonvention ist das Recht auf Gesundheit verankert. Nur wenn die Zusammenhänge von menschlicher und tierischer Gesundheit, Umweltfaktoren, Lebensmittelsicherheit, Ernährungssouveränität und der Landwirtschaft gemeinsam betrachtet werden, kann dieses Recht verwirklicht werden. Gesundheit liegt also in den Ressourcen unseres Planeten, und damit auch an dessen Grenzen.
Text angelehnt an: Der „One Health“- Gedanke – wichtiger denn je
von Magdalena Szelestey (plan-g) und Anja Appel (KOO), erschienen im Jahresbericht 2020 der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO)
Irina Rojas, plan:g – Partnerschaft für globale Gesundheit